Stuttgarter Zeitung, 07.10.2010: Nicht nur ein Denkmal, sondern ein Mach-mal

Stuttgarter Zeitung, 07.10.2010: Nicht nur ein Denkmal, sondern ein Mach-mal

Wie soll man der deutschen Einheit gedenken? Der prämierte Entwurf von Johannes Milla und Sasha Waltz.

Von Amber Sayah

"Uns kam es darauf an, ein Denkmal zu schaffen, das die Menschen nicht nur betrachten oder fotografieren, sondern bei dem sie aktiv und selbst zum Teil des Denkmals werden." Das sagt Johannes Milla, Chef der Stuttgarter Agentur Milla & Partner, die zusammen mit der Berliner Choreografin Sasha Waltz im Wettbewerb um das Berliner Einheitsdenkmal als einer von drei gleichrangig bewerteten Preisträgern gekürt worden ist (StZ vom 4. und 5. Oktober 2010). Der Entwurf sieht eine große Metallschale auf dem vom Auslober als Ort vorgegebenen Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. gegenüber der geplanten Stadtschlossreplik vor. Die Schale ist begehbar und lässt sich - nach Art einer Wippe - von den Besuchern in eine sanfte Schaukelbewegung versetzen.

Die Verfasser verstehen ihr Denkmal als "soziale Plastik", die symbolhaft zum Ausdruck bringt, dass "man als Bürger etwas bewegen kann". Allerdings müssten sich die Besucher untereinander verständigen, um die Schale in Bewegung zu versetzen, denn sie neigt sich nur, wenn auf einer Seite mehr Besucher stehen als auf der anderen. "Freiheit und Einheit sind keine dauerhaften Zustände, sondern müssen stets neu gestärkt und definiert werden, sie erfordern ständiges Engagement", heißt es dazu im Erläuterungstext der Entwurfsverfasser. Dass in der Presse schon über "Einigkeit und Recht und Halfpipe" gewitzelt wurde, nimmt Johannes Milla gelassen: "Das Denkmal soll auch Spaß machen. Es ist nicht nur ein Denkmal, sondern auch ein Mach-mal." Auch mit der Kritik, die Schale sei zu pathetisch, kann er leben. Der Entwurf arbeite mit der Polarität von Pathos und Freude.

Innen stehen in großen Buchstaben die beiden Schlüsselsätze der friedlichen Revolution von 1989 zu lesen: "Wir sind das Volk. Wir sind ein Volk", dazu kleinere, den Asphaltbelag der Innenseite wie Linien durchziehende Zitate von Bürgerrechtlern und Demonstranten, die den Boden von Rand zu Rand überziehen und den lesenden Besucher so über die Fläche leiten. Alle Schriftzüge sind begehbar. An der Außenseite der Schale befinden sich großformatige Bilder von Demonstranten der Herbstrevolution. "Formal bilden somit die Bürgerinnen und Bürger die Basis der Freiheit und Einheit, auf der sich die heutigen Besucher bewegen."

Die ungewöhnliche Zusammenarbeit mit einer Choreografin entstand aus Millas Idee, das seinem Wesen nach statische Denkmal gegen den Strich zu bürsten und nach einer kinetischen Lösung zu suchen. Und da der Stuttgarter mit Sasha Waltz schon einmal zusammengearbeitet hat, lag es für ihn nahe, sie anzurufen. Das Konzept wurde dann in drei Workshops entwickelt, an denen neben Sasha Waltz und ihrem Dramaturgen Jochen Sandig zwei Architekten und eine Szenografin aus der Agentur Milla & Partner teilnahmen. Und dazu natürlich Milla selbst.

Die Auflagen des Preisgerichts, Sicherheit, Betriebskosten und Statik des Denkmals nachzuweisen, hält Milla für problemlos erfüllbar. Die Sicherheit sei bereits vom Tüv geprüft, und die Statik haben die Architekten vom Stuttgarter Ingenieurbüro Leonhardt, Andrä und Partner berechnen lassen, das nun wahrlich kein Neuling auf seinem Gebiet ist. Bedenken, dass das Gewicht der Schale mitsamt den Besuchern zu schwer für den Sockel sein könnte, glaubt Milla daher ausräumen zu können.

Die anderen Siegerentwürfe sind von dem Münchner Architekten Andreas Meck und dem Karlsruher Bildhauer Stephan Balkenhol. Dessen Konzept sieht die monumentale Figur eines knienden Mannes vor. Für den Künstler drückt sich in dieser Geste "Erleichterung über das Ende der Unterdrückung" aus und "Dankbarkeit gegenüber allen, die geholfen haben, den Prozess unblutig zu einem Ende zu bringen". Meck hat sein transparentes Dach aus Buchstaben entworfen, dessen Stützen die Bundesländer repräsentieren.

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