Stuttgarter Nachrichten: Kretschmann will mehr als einen Herrn im Neuen Schloss

Die Idee von Johannes Milla hat es in den Band 'Urban Spaces' (zu Deutsch: städtische Räume) des renommierten Schweizer Architektur-Verlags Braun-Publishing geschafft. Mit großformatigen Fotos und unter dem Titel 'New Citizens' Castle' wird auf zwei Seiten erläutert, wie sich der Stuttgarter Kommunikationsgestalter ein für die Öffentlichkeit zugängliches Neues Schloss vorstellt. In diesem jüngst erschienenen dicken englischsprachigen Architektur-Bildband heißt es auf Seite 51 'Completion: ongoing'.

'Completion: ongoing' bedeutet übersetzt in etwa 'Fertigstellung ist in Arbeit'. Klingt optimistisch. Man ist dran, da wird was draus - so könnte man die dortige knappe Anmerkung zum Stuttgarter Bürgerschloss deuten. Mit der Anmerkung 'ongoing' nimmt das Werk dabei einen Projektstand vorweg, den sich die Landesregierung als Hausherrin im Neuen Schloss noch nicht wirklich zu eigen gemacht hat.

Doch nach bisher eher zögerlichem Wohlwollen kommt Bewegung in die Angelegenheit. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat ein Gremium mit dem sperrigen Titel interministerielle Arbeitsgruppe gebildet. Ihm sei die Sache so wichtig, 'dass er eine Arbeitsgruppe eingesetzt hat', so ein Sprecher des Staatsministeriums. Auf höherer Beamtenebene will man nun 'ausloten, was machbar ist und was nicht'. Mitarbeiter des Staatsministeriums und des Wirtschaftsministeriums sollen sich möglichst noch im Januar zum ersten Mal zusammensetzen.

Die Arbeitsgruppe ist das Ergebnis einer Unterredung zwischen Kretschmann und Milla im Dezember. Letzterer stellte dem Regierungschef kurz vor Weihnachten jenes Konzept vor, das er im April 2012 erstmals in den Stuttgarter Nachrichten präsentiert hatte - mit großem positivem Echo bei Bürgern wie bei Amtsträgern und Kommunalpolitikern der Stadt. Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) etwa hatte bereits im OB-Wahlkampf den als 'Behördenparkplatz' genutzten Ehrenhof beklagt und eine 'öffentlich-kulturelle Nutzung' des Neuen Schlosses in sein Wahlprogramm aufgenommen. Kretschmann dürfte in der Sache demnächst von seinem Parteifreund hören. 'Umsetzen lässt sich die Idee nur mit Unterstützung durch das Land. Darüber werden wir gemeinsam reden', kündigte OB Fritz Kuhn dieser Tage an.

Bisher hatte sich die Landesregierung zum Projekt Bürgerschloss eher verhalten geäußert. Kleine Teile des Konzepts in kleinen Schritten umzusetzen, hatte Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) in Aussicht gestellt. Dass die Landesbeamten wie von Milla vorgeschlagen die Büros im Neuen Schloss gänzlich zugunsten der Bürger räumen, stand nicht zur Debatte. Die Neuordnung der Ministerien galt und gilt als zementiert. Nach der Rochade Kultus- gegen Wirtschaftsministerium im Planietrakt des Gebäudes ist der stellvertretende Ministerpräsident demnächst alleiniger Schlossherr.

Dass Finanzbeamte des Landes in Kretschmanns Arbeitsgruppe nun gleich ihren Abgang vorbereiten, ist also nicht zu erwarten. Manchen wird ohnehin nachgesagt, sie wollten ihre teils stattlichen Büros nicht gegen gewöhnliche Schreibstuben eintauschen. Zudem fehle es für ein solch ambitioniertes Projekt am Geld in der Kasse des Landes, hatte der Finanzminister erklärt.

An Aufmerksamkeit, auch international, mangelt es dem Konzept hingegen nicht. 'Der Verlag hat uns im vorigen Jahr angefragt', erinnert sich Milla. Die Anfrage des Braun-Verlags deutet er als Indiz dafür, dass Planer und Architekten ein Bürgerschloss auf breiter Front positiv bewerten. In dem Bildband befindet sich das Projekt in respektabler Gesellschaft: Aufgeführt sind dort - teilweise bereits verwirklichte - Vorhaben in Metropolen wie New York, Tokio, Schanghai, Sydney oder Toronto.

'Urban Spaces - Plazas, Squares and Streetscapes' des Stuttgarter Autors Chris van Uffelen ist als Teil einer Reihe von Architektur-Bildbänden im Verlag Braun-Publishing erschienen (ISBN 978-3-03768-130-5). Der Band ist 270 Seiten dick und kostet knapp 50 Euro.

Von Michael Deufel

Download