Tagungswirtschaft 02/2014: Locations mit Mehrwert

Tagungswirtschaft 02/2014: Interview mit Sebastian Letz

Einer, der sich bereits bei der Konzeption von Museen oder sogenannten Brandworlds über eine flexible Nutzung Gedanken macht, ist Sebastian Letz, Kreativ-Direktor bei Milla & Partner. Er gestaltet Begegnungsräume, die durch einen integrativen szenografischen Ansatz geprägt sind, die Kommunikation, Architektur, Design und Medien zu einem Gesamterlebnis vereinen. Er war für mehrere Projekte zu Markenwelten und Museen verantwortlich, unter anderem für die Neugestaltung des Siemens Forums in München sowie des Skoda-Pavillons in der Autostadt Wolfsburg und verschiedene international tourende Ausstellungen, die Milla & Partner für Mercedes-Benz konzipiert und realisiert haben.

„Sollen Museen oder Brandworlds auch als Tagungsstätten dienen, müssen Tagungs- und Begegnungsräume bereits in der Konzeptionsphase integriert gedacht werden“, ist Letz überzeugt. „Dabei sollten sich die Gestalter in erster Linie an den Erwartungen und Interessen des künftigen Publikums orientieren, außerdem an der Identität und am Kommunikationsziel des Hauses und gegebenenfalls auch an den Anforderungen externer Tagungsveranstalter. Alle drei Perspektiven sind wichtig, um die richtige Atmosphäre und das richtige Setting für das Gesamtformat zu entwickeln.“ Dabei müssen Brandworlds nicht immer die Dimension eines Großstadtmuseums mit mehreren Tausend Quadratmetern Ausstellungsfläche haben, fügt er an. Eine Markenwelt könne zum Beispiel auch im Foyer eines mittelständischen Unternehmens entstehen.

Ausstellungen und Tagungen können auf verschiedene Weise kombiniert werden: „Man kann Ausstellungen mit flexiblen, beweglichen Exponaten und Ausstellungsmodulen gestalten, die bei Bedarf verschoben werden können, um Raum für Vortragssituationen zu schaffen“, erklärt Letz und nennt als Beispiel die Ausstellung im Firmenfoyer von Bosch in Berlin. „Man kann Tagungs- und Ausstellungsräume aneinander anschließen und bei Bedarf ‚zuschaltbar‘ machen. Man kann Vortragsflächen in die Ausstellung integrieren wie im Erwin Hymer Museum und vieles mehr.“ Deutlich erkennbar sei der Trend, dass sich verschiedene Formate von „Kommunikation im Raum“ stärker miteinander verbinden – zu individuell maßgeschneiderten Maßnahmen, je nach Botschaft, Adressaten beziehungsweise Teilnehmerkreis und Kommunikationsziel. Auch die Grenzen zwischen Museen/Brandworlds und Tagungsstätten lösen sich auf. Einerseits würden Museen/Brandworlds immer häufiger als Tagungsstätten genutzt, andererseits würden Tagungen immer häufiger inszeniert oder mit Ausstellungen kombiniert.

Ein Beispiel für ein kombiniertes Format ist der Mercedes-Benz Servicegipfel. Die alle zwei Jahre stattfindende dreitägige Veranstaltung ist nicht nur der zentrale Kongress für das deutschlandweite Vertriebs- und Servicenetz des Konzerns. Sie umfasst auch eine mehrere tausend Quadratmeter große Ausstellung, ein breites Informations- und Schulungsangebot sowie abendliche Events.

Das häufigere Verbinden verschiedener Formate hat einen Grund: „Dass die Location für eine Tagung wichtig ist, ist nichts Neues. Aber aufgrund der größeren Zeitknappheit potenzieller Teilnehmer müssen Veranstalter den Nutzen für diese Teilnehmer weiter erhöhen. Attraktivität und Nutzen sind wesentlich dafür, welche Veranstaltungen bei knapper werdenden Zeitbudgets besucht werden“, so der Kreative.

Der Nutzen für die Teilnehmer wächst, wenn sie verschiedene Themen und Aktivitäten, die für sie relevant sind, beim Besuch einer Veranstaltung miteinander verbinden können. So seien informelle Gespräche in einer inspirierenden Umgebung – etwa in den Pausen oder bei einer Abendveranstaltung – oft mindestens genauso wichtig wie die Wissensvermittlung oder der rein fachliche Austausch. „Thematisch passende Brandworlds und Museen bieten Inspirationsmomente und Möglichkeiten für Situationswechsel, die Tagungen beleben und bereichern, die Lern- und Entwicklungsprozesse fördern“, sagt Letz. Und ein inszeniertes Umfeld inspiriert, gibt Anlass zu Gesprächen, Denkmuster werden aufgebrochen.

Ein solchermaßen gesprächsanregendes Umfeld bietet etwa die Ausstellung „Horizonte“ von Trumpf. Mit einer digitalen Toolbar haben Milla & Partner vor zwei Jahren ein neues kommunikatives und räumliches Zentrum für diese Unternehmensausstellung geschaffen. Beim Führen von Besuchergruppen dient die Toolbar als Präsentationsmedium.

„Museen und Brandworlds sind Orte, an denen sich Unternehmen und die Gesellschaft Qualität in der räumlichen Gestaltung leisten. Eine attraktive und inspirierende Atmosphäre fördert die Motivation von Tagungsteilnehmern. Das gilt sowohl für unternehmensinterne wie auch für öffentliche Veranstaltungen.“

Eine anregende Umgebung bot zum Beispiel die Pressekonferenz zum Launch des Onlineportals „scook“ im Kunstmuseum Stuttgart im März. Im Glaskubus mitten in der Stadt stellte der Cornelsen Schulbuchverlag der Bildungspresse das innovative Portal vor.

Museen und Brandworlds bieten gegenüber reinen Tagungsstätten also einige Vorzüge: Neben der anschaulichen Darstellung und ansprechender Wissensvermittlung durch spannende Exponate seien das anregende Kristallisationspunkte für Gespräche, eine atmosphärische Dichte sowie eine attraktive Atmosphäre für das Pausenprogramm oder eine Abendveranstaltung.

Welche Formate man bei einer Tagung idealerweise miteinander kombiniert, sei natürlich vor allem eine Frage des Kommunikationsziels und des Teilnehmerkreises, aber auch des Einzugsgebiets (regional/überregional), der Tageszeit und Dauer, der Teilnehmerzahl, der Gewichtung von Wissensvermittlung/fachlichem Austausch und informellen Gesprächen, Knüpfen und Vertiefen von Kontakten und vielem mehr.

Viel hänge davon ab, welchem Publikum sich die Räume als Ausstellungsort und als Tagungsstätte öffnen sollen, für Interne oder Externe, für VIP-Kunden, Top-Entscheider, die breite Öffentlichkeit oder Kinder beziehungsweise Familien. Um alle Anforderungen befriedigen zu können, sollten Exponate und Stationen idealerweise leicht aktualisierbar sein, Inhalte variabel an verschiedene Situationen angepasst werden können, beispielsweise indem Inhalte über ein plattformunabhängiges System eingespielt werden können.

So gibt es im Siemens Forum in München zum Beispiel ein plattformübergreifendes Content-Management-System, mit dem Guides per Touchpad individuelle Touren konfigurieren und an jedem Punkt der Ausstellung ad hoc sämtliche mediale Inhalte von Siemens aufrufen können, um flexibel auf Fragen und spezifische Gesprächsthemen einzugehen.

Es sei allerdings deutlich aufwendiger und kostenintensiver, ein Museum für eine Veranstaltung zu bespielen als einen Konferenzraum, räumt Letz ein, da die Infrastruktur nur für diesen Anlass bereitgestellt werden muss. „Dennoch kann es sich lohnen zu investieren. Das ist eine Frage des Anspruchs.“
JA

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