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Weltausstellung, QUO VADIS?

WAS WIR VON DUBAI 2020 FÜR OSAKA 2025 LERNEN KÖNNEN

Alle fünf Jahre treffen sich die Nationen der Welt an einem Ort und präsentieren sich von ihrer besten Seite: Geschichte, Kultur und Neuheiten einzelner Nationen werden hier seit jeher aufwendig inszeniert. Auch wenn es die Veranstalter nie aussprechen: Schon immer befanden sich die Weltausstellungen mitten in politischen Spannungsfeldern, sie waren und sind die Spiegel der Zeitläufe und auch der Wettbewerbe der Nationen um Aufmerksamkeit und Sympathie.

Doch die Idee, als Weltgemeinschaft große Probleme gemeinsam lösen zu können, macht das Format der Weltausstellung weiterhin bedeutsam: Solange gesellschaftliche Diskussionen angestoßen werden, der Mensch im Mittelpunkt steht und die Expo als Plattform für Kommunikation, Kollaboration und Ko-Kreation verstanden wird, kann sie Neues erschaffen und echte Innovationen hervorbringen. 2025 wird die nächste Expo ihre Tore in Osaka öffnen. Etwa 28,2 Millionen Gäste und 150 teilnehmende Länder sowie 25 internationale Organisationen werden erwartet, um unter dem Motto „Designing Future Society for our Lives“ innovative Lösungen für unsere Gesellschaften zu präsentieren.

Vier Learnings aus Dubai für Osaka

An der Expo in Dubai beteiligten sich 192 Länder. Unter dem Leitgedanken „Connecting Minds, Creating the Future“ standen auch hier zukunftsrelevante Themen im Mittelpunkt, auf dem 438 Hektar großen Gelände wurden die Pavillons in die Bereiche „Opportunity“, „Sustainability“ und „Mobility“ eingeordnet. Sie demonstrierten spannende Antworten, verkörperten gebaute Versprechen oder Behauptungen, gaben wertvolle Aussichten und ermöglichten sinnvolle Momente, waren zum Teil aber auch durch belanglose, klischeehafte Präsentationen ohne Tiefgang, emotionale Wirkung oder Sinn. Leider.
Als Experience Designer war Milla & Partner nicht nur als Gestalter der Ausstellung im 1. OG des Baden-Württemberg Hauses vor Ort, sondern auch als aufmerksame Besuchende: Unsere Delegation hat einiges entdeckt, vieles intensiv beobachtet und ist sich sicher, dass diese Erkenntnisse großes Potenzial für die kommende Expo in Osaka offenbaren ...

„Wir gehen über eine Weltausstellung nicht mit dem Blick der Experience-Design-Profis, sondern mit Empathie für die breite und diverse Zielgruppe, die aus Einheimischen und Touristen besteht. Besonders für sie ist es wichtig, sowohl in den Innen- als auch in den Außenräumen über ‚Experience Telling‘ Bilder im Kopf zu vermitteln, die sie nicht vergessen.”

Peter Redlin-Pape, CEO Creative Direction, Founder und Partner bei Milla & Partner

1. Echte Partizipation einfordern!

Die Expo sollte als Plattform wahrgenommen werden: Es ist wichtig, dass Pavillons mit der Haltung gestaltet werden, das Publikum nicht zu Konsumierenden, sondern zu Mitwirkenden zu machen. Denn Partizipation bedeutet nicht nur eine Teilhabe der Gäste, sondern auch eine aktive Co-Autorschaft der Ausstellungsinhalte – wodurch wiederum überraschende Perspektivwechsel und neue Lernerfahrungen generiert sowie der Wert von Gemeinsamkeit erlebt werden können. Weiterer Benefit: Sowohl die Besuchenden als auch die Ausstellenden profitieren von diesem kollektiven Wissen.

2. Persönliche Begegnungen schaffen!

„Die Vielfalt an Qualitäten und Ästhetiken, die Diversität der Menschen, Hintergründe und Kulturen, die hier in Dubai zusammengekommen sind, war großartig. Vor allem nach zwei Jahren Pandemie war die Weltausstellung – bei aller Inszenierung – ein tolles Erlebnis voller zufälliger Beobachtungen, Überraschungen und Begegnungen, die online so nicht hätten stattfinden können. Und darum geht es in der Szenografie: Anlässe für Begegnungen zu schaffen.”

Robin Palleis, Creative Technologist und Partner bei Milla & Partner

Dass persönliche Begegnungen dabei nicht nur prinzipiell wertvoll sind, sondern auch das individuelle Ausstellungserlebnis positiv beeinflussen, konnten einige Pavillons unter Beweis stellen: Manche Länder hatten hervorragend geschultes Personal und überzeugten als gute Gastgeber und Gastgeberinnen. Denn bei allem Mediendesign und aller digitaler Interaktion: Die persönliche Begegnung mit Menschen prägt das Bild eines Landes sofort, direkt und nachhaltig. Das Erlebnis in den Pavillons muss anders sein als jede eigene Reise in diese Länder. Darin besteht der Mehrwert einer Expo. Dafür braucht es für Osaka neue räumliche Konzepte: noch mehr echte dialogische Situationen und weniger „museale“ Ausstellungsgestaltung.

3. Souveräne Einzigartigkeit wagen!

Komplexität ist auf der Expo genug vorhanden. Weniger ist mehr, Klarheit statt Themengießkanne. Generell zeigt sich auf der Weltausstellung in Dubai, wie wichtig eine konsistente, konzentrierte Narration bei der Vermittlung von Inhalten ist: In feiner Balance aus Inhalt, Storytelling und Emotion bewirken klare Botschaften bei den Gästen eine nachhaltige Wirkung.

„Die Ausstellenden, die den Mut zur Klarheit, zur Einfachheit hatten und sich auf eine grundlegende, faszinierende Idee fokussiert haben, haben am stärksten überzeugt. Denn sie haben in den meisten Fällen ein einzigartiges Erlebnis geschaffen und konnten damit viele Menschen auf der emotionalen Ebene erreichen.”

Thomas Frenzel, Creative Direction bei Milla & Partner

4. Echte Nachhaltigkeit leben!

„Ich wünsche mir mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen! Dazu gehören nicht nur die Baumaterialien, Produktionsmethoden und der Verbrauch in Bau und Betrieb, sondern auch die soziale Ebene und damit die Umstände, unter denen das Areal bebaut wurde.”

Anika Kinghorst, Experience Designerin bei Milla & Partner

Digitale Erweiterungen und Zwillinge bieten sich an, die eine breitere inhaltliche Tiefe ermöglichen. Ähnlich wie im Messewesen offenbart die Hybridisierung hier schon jetzt enormes Potenzial. Denn damit können nicht nur die Gäste vor Ort oder im Nachgang erreicht werden, sondern vor allem auch die Nicht-Besuchenden, die aus den unterschiedlichsten Gründen der Expo fernbleiben. Das Format der Weltausstellung könnte so noch mehr demokratisiert werden – im Sinne der Barrierefreiheit bzw. Zugänglichkeit zu Inhalten und Themen. Die Chancen der Digitalisierung (aber auch der Globalisierung) lassen jedoch auch die Frage aufkeimen, ob die Expo an sich noch zeitgemäß ist? Was lässt sich der Welt zeigen, was die Welt noch nicht gesehen hat? Und auch das Thema Nachhaltigkeit steht definitiv im Raum: Ist es tatsächlich im Sinne einer klimaneutralen Welt, dass am Ende der Expo insgesamt rund 25 Millionen Menschen ins Emirat gereist sind – und das größten Teils mit dem Flugzeug? In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Nutzen – und damit auch die Nachnutzung des Geländes? Eine große Herausforderung für Osaka, um dem Motto „Designing Future Society for our Lives“ auf allen Ebenen innerhalb der internationalen Gemeinschaft gerecht zu werden – eine Herausforderung, der es sich zu stellen gilt.

„Das Format der Weltausstellung ist einzigartig und ich wünsche mir, dass Expos im Sinne einer Erneuerung mehr Relevanz für die Besuchenden und für die Weltgemeinschaft haben. Nach dem Wettbewerb der Produkte, der Innovationen, der Kulturen, hat die Weltausstellung das Potenzial, die Diversität der Menschen und ihrer Ideen zu präsentieren und deren Kommunikation untereinander als Grundlage für Frieden zu stärken.”

Thomas Frenzel, Creative Direction bei Milla & Partner
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