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PHYGITAL SHOPPING

DAS SHOPPING CENTER ALS PHYGITALER COMMUNITY SPACE

Einkaufszentren und Malls haben weiterhin ein großes Zukunftspotential – aber sie müssen sich dafür neu erfinden. Umso wichtiger ist es, alle Disziplinen, die am erfolgreichen Entstehen eines Shopping Centers beteiligt sind, (Stadtplanung, Architektur, Interior, (User) Experience Design, Verhaltensforschung, IT, ...) an einen Tisch zu bekommen, um gemeinsam die Zukunft zu gestalten – und daran zu arbeiten, dass das Einkaufserlebnis zum Erlebnis mit Einkaufsmöglichkeiten wird.

Wie in vielen Lebensbereichen hat die Corona-Krise auch im Retail-Segment den digitalen Wandel und damit das E-Commerce-Wachstum binnen weniger Zeit enorm vorangetrieben: So viele Verbrauchende wie noch nie haben in den vergangenen Monaten online eingekauft. Damit ist klar: Der Einzelhandel hat zu kämpfen, während der Onlinehandel stark zunimmt. Und doch bietet diese Entwicklung auch eine einzigartige Chance, das ideale Shopping Center der Zukunft zu planen – ein Einkaufszentrum, das auf die Bedürfnisse der Kundschaft eingeht und zum phygitalen „Community Space“ wird. Milla & Partner wagt einen Blick in die Zukunft.

THE PLACE TO BE: DAS SHOPPING CENTER ALS MARKE MIT MEHRWERT

Physische und digitale Einkaufserlebnisse können in Zukunft nicht mehr getrennt voneinander betrachtet werden – im Gegenteil: Im Idealfall sollten sie sich gegenseitig befruchten und das Beste aus beiden Welten miteinander vereinen: den Komfort und Überblick, den der Onlinehandel 24/7 zu bieten hat mit einem einzigartigen, auf die Kundschaft zugeschnittenen Offline-Erlebnis, das alle fünf Sinne anspricht. Die Gestaltung einer stimmigen „Customer Journey“ über alle Kanäle hinweg wird in den kommenden Jahren demnach eine zentrale Herausforderung für den Handel darstellen. Um zukunftsfähig zu bleiben, müssen sich ehemalige Shoppingtempel also neu erfinden: Sie müssen von der puren, analogen Einkaufswelt zur emotionalen, phygitalen Erlebnisdestination – und damit zur Marke mit Fangemeinschaft werden.

„Das Shopping Center muss zum neuen Lieblingsort werden – ein dritter Ort, stationär und online. Dabei muss es mehr zu bieten haben als reine, rationale Bedarfsdeckung: Das Angebot muss spannend sein, immer wieder neu und vor allem mit einem echten Mehrwert sowie einer wahren Erlebnisdimension verbunden sein.”

Tobias Kollmann, Chief Creative Officer, Chief Brand Officer und Partner

Ware und Verkaufsvorgang sind also „nur noch“ das technische Nebenprodukt einer Kundenbeziehung: Kunde und Kundin selbst stehen im Mittelpunkt. Ihre Berührungspunkte mit der Marke „Shopping Center“ müssen wohl durchdacht sein, um das Markenerlebnis auf allen Ebenen zu intensivieren.

SMART SHOPPING: Die CUSTOMER JOURNEY Als PHYGITALe SHOPPING EXPERIENCE

Nicht nur zukünftig, sondern bereits jetzt beginnt dies zu Hause bei der Recherche im Netz: Ist die Website des Einkaufszentrums nutzerfreundlich, übersichtlich, informativ? Bietet sie einen digitalen Zugang zum kompletten Warenangebot mit der Option, die Verfügbarkeit eines Produkts in der Filiale zu prüfen? Wird eine ergänzende App zur Verfügung gestellt? Als weiterer „Touchpoint“ lassen sich mit ihr im Shopping Center der Zukunft nicht nur personalisierte Angebote verwalten, sondern auch (Termin-)Buchungen bzw. Reservierungen (auch von Umkleidekabinen) vornehmen, Artikel per „Click and Collect“ bestellen und vor allem per Mobiltelefon an den jeweiligen Verkaufsstellen kontaktlos bezahlen. In der Mall selbst wird ebenfalls eine gute Navigation, ein stimmiges Erscheinungsbild sowie eine offene und großzügige Architektur zum Erfolgsmodell gehören – Besuchende sollen sich jederzeit rundum wohlfühlen.

Die einzelnen Läden werden neben individueller, professioneller Beratung nicht nur die Möglichkeit bieten, Produkte im Geschäft zu testen, sondern werden Raum für spätere Kaufentscheidungen lassen, die auch online getätigt werden können – vergleichbar mit einem Showroom. Fällt die Entscheidung doch vor Ort, wird die Ware nicht selbst getragen werden müssen, sondern kann kundenfreundlich im „Care and Store“-Bereich gesammelt, nach Hause geschickt oder beim Verlassen des Centers zum Fahrzeug geliefert werden (das in der Zwischenzeit selbstverständlich gereinigt und aufgeladen wurde ...). Sind die Läden geschlossen, werden interaktive Schaufenster Interesse wecken sowie präzise und personalisierte Informationen zu den Produkten im Shop präsentieren.

Phygital Shopping bietet damit nicht nur unzählige Annehmlichkeiten, sondern begleitet die Kundschaft bei ihrem gesamten Einkaufsprozess: vom „Pre Shopping“ bis zum „After Sales Service“. Was zu höheren Investitionen in das Einkaufserlebnis, zu einer größeren Kundenzufriedenheit sowie Treue gegenüber der Marke führt, als auch zu einer transparenten Einsicht in das Kundenverhalten auf Basis der digitalen Services und Anwendungen. Dies wird in Zukunft dabei helfen, die Kundschaft noch besser zu verstehen sowie eine „Store Experience“ zu gestalten, die den Gang in den physischen Handel lohnenswert macht und die sich zudem regelmäßig auf die stets wandelbaren Kundenwünsche anpassen lässt.

„Wir erleben immer wieder, dass Shoppingcenter und Einzelhandel keine erkennbare Ausrichtung und Strategie haben. Diese sind heute Voraussetzung für erfolgreiche Marken- und Einzelhandelskonzepte. Onlinehandel und stationärer Handel müssen noch stärker verschmelzen.”

Marc Heikaus, CEO Heikaus Gruppe

HUMAN CENTERED: „LIFESTYLE HUB“ UND „COMMUNITY SPACE“ STATT KONSUMTEMPEL

Dreh- und Angelpunkt sind die Bedürfnisse der Konsumierenden. Der Schlüssel für ein erfolgreiches Einkaufszentrum wird demnach auch hier in einem Umdenken liegen: von einem investorengetriebenen zu einem nutzerzentrierten Center: Je nach Standort kann es somit durchaus Sinn ergeben, Ärzte anzusiedeln, ein Hotel zu integrieren und (Weiter-)Bildungsmöglichkeiten, Coworking-Bereiche oder auch Wohnraum zu schaffen. Bauernmärkte mit Lebensmitteln aus der Region, Restaurants, Supper-Clubs, Cafés und Bars, Fitness-Studios, Wohlfühl- und Freizeit-Angebote, Kinos, Events sowie verschiedene Dienstleistungen wie Kinderbetreuung, Workshops oder Seminare komplettieren das Programm und machen das zukunftsfähige Shopping Center damit nicht nur zum Erlebnis, sondern zum physischen Community Space, der digital verbunden ist. So wird das Shopping Center zum realen und inspirierenden Raum für Begegnung, der lokal und gemeinschaftlich genutzt wird und der dem Austausch bzw. der Vernetzung dient: Hier kann das Bedürfnis nach sozialer Interaktion gestillt werden.

OFFENE, THEMATISCH- UND ERLEBNIS-ORIENTIERTE ARCHITEKTUR

Die Architektur ist nicht mehr geprägt von Single-Brand-Zellen mit möglichst hoher Produkt-Dichte, sondern bietet offene, nach Themen gestaltete und an der Aufenthalts- und Erlebnisqualität ausgerichtete Räume und Zonen. Orientierung erfolgt hier ebenfalls kundenzentriert. Statt nur eine rohe Fläche zu vermieten, die vom Mieter jedes Mal aufwendig mit eigener Ausstattung möbliert werden muss, bietet das Center modulare Möblierungskonzepte, die die Hürden deutlich senken können. Durch größere Flexibilität werden neue Konzepte ermöglicht und gleichermaßen Profitabilität und Nachhaltigkeit gefördert.

Für den Markt der Shopping Center bricht eine neue, innovative Phase an, die sich nicht nur durch einen guten Kundenservice, Konsistenz und Komfort sowie einen hohen Entertainment- und Erlebnisfaktor auszeichnet, sondern auch eine (Re-)Vitalisierung und beinahe Rückbesinnung auf die ursprünglichen Wurzeln der Shopping Malls darstellt. Damit wird sie den Wünschen moderner Verbrauchenden mehr als gerecht. Ken Hughes, weltweit führender Experte für Konsumentenverhalten, Zukunftsforscher im Bereich Retail und internationaler Redner, beschreibt diese als „Blue Dot Consumer“:

„Wenn wir die Werte der neuen Verbraucher verstehen, können wir verhindern, dass unsere Bedeutung schwindet. Beim „Blue Dot Consumer“ geht es darum, den Kunden in den Mittelpunkt des Unternehmens, der Customer Journey und des Markenerlebnisses zu stellen. Dabei geht es um Authentizität: Verbraucher scheinen nur an Marken interessiert zu sein, die „echt“ sind. Wir müssen über das hinausgehen, was sie erwarten, um sie wirklich zu begeistern. Wir müssen uns auf die menschliche Verbindung konzentrieren, um ihr Herz zu berühren und eine echte Verbindung zu ihnen herzustellen.”

Ken Hughes, führender Experte für Verbraucher- und Käuferverhalten
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