Tagungswirtschaft 3/2013: Von der Interaktion zur Interkonnektion

Tagungswirtschaft 03/2013: Ein Interview mit Thomas Frenzel

Die Zeiten, da man sich zu einer Tagung für drei Tage in einen Stuhl fallen ließ und passiv dem lauschte, was geboten wurde, sind eindeutig vorbei. Das Mitmach-Zeitalter hat auch Tagungen und Kongresse erreicht. Jeder hat heute die Möglichkeit, auf den verschiedensten Portalen Dinge zu kommentieren und sich mit Gleichgesinnten zu vernetzen. Das hat die Gewohnheiten der Menschen verändert. Mitmachen, seine Meinung sagen, von den Erfahrungen anderer profitieren ist zur Normalität geworden. Warum sollte es also während einer Tagung weiter nur den Kommunikationskanal in eine Richtung – vom Referenten zum Teilnehmer – geben? Innovative Tools können einen beachtlichen Nutzen bringen, wenn es um die Qualitätskriterien von Tagungen geht: Die Qualität und Relevanz der Inhalte, das Matching von Teilnehmern, die Qualität des Dialogs sowie Orientierung und Ablauf der Veranstaltung können mit ihrer Hilfe beeinflusst werden.


Thomas Frenzel, Mediendesigner bei Milla & Partner in Stuttgart, entwickelt mediale Bespielungen, Inszenierungen sowie interaktive Anwendungen und Räume. Die Agentur hat ein eigenes Innovationslabor, in dem an der Zukunft bereits heute „gebastelt“ wird. Ein interdisziplinäres Team von Programmierern – so genannten Creative Technologists – Gestaltern, Szenografen und Spezialisten für Film, Animation und Narration arbeitet an Interfaces, die ganze Gruppen involvieren und den Dialog fördern sollen. Durch sie sollen Menschen mit ähnlichen Interessen zueinander finden, sich austauschen und gemeinsam Ideen entwickeln.

Die „Tagung der Zukunft“ macht sich nach Einschätzung des Unternehmens den aktuellen Wandel der Kommunikationsgewohnheiten zunutze, um die Qualität und die Ergebnisse der Begegnungen, Dialoge und Informationen zu verbessern. Viele Tools, die im Zuge der genannten Trends hervorgebracht wurden, sind bereits bei Tagungen im Einsatz. Aber ihre Anwendungsmöglichkeiten und Entwicklungspotenziale sind noch lange nicht ausgeschöpft. Die Zukunft liegt nach der Philosophie des Unternehmens in der Verschränkung und intelligenten Vernetzung verschiedener Technologien und der Schaffung von intelligenten Schnittstellen, welche die Informations- und Ideenflut zu neuen Erkenntnissen zusammenfügen. „Wir gestalten Kommunikationsprozesse“, betont Frenzel. „Die Qualität des Dialogs hängt natürlich ab von den Inhalten und ihrer Relevanz, aber eben auch davon, wie stark wir das Publikum in das Thema hineinziehen, wie wir sie durch die Inszenierung auch emotional involvieren. Die Tools verstärken nicht nur die Kommunikation, sie verführen die Teilnehmer auch, sich auf das Thema einzulassen, so dass sie die Veranstaltung in Erinnerung behalten.“ Software soll dementsprechend den menschlichen Dialog nicht ersetzen, sondern den Grad der Einbindung verstärken.

Während interaktive Anwendungen bislang oft als „Vereinzelungsmaschinen“ wirken, wenn jeder für sich auf einem Gerät herum tippt, haben Milla & Partner den Anspruch, die Interaktion weiter zur Interkonnektion zu entwickeln. Es geht nicht nur darum, auf die Inhalte einer Veranstaltung zu reagieren, sondern diese gemeinsam mit anderen zu diskutieren, weiterzudenken. Teilnehmer, Referenten und Organisatoren werden zu aktiven Elementen einer vernetzten Welt, in der sie vor, während und nach dem Tagungsbesuch miteinander interagieren. Intelligente Apps zum Beispiel können als „Matchmaker“ und Orientierungshilfe dienen. Augmented Reality vermag Teilnehmer aus anderen Räumen oder Zeiten virtuell auf die Bühne zu holen, wenn sie nicht persönlich anwesend sein können. Kommunikationsfördernde Werkzeuge können dabei ganz unterschiedliche Formen haben. Es muss nicht immer das Smartphone oder die Beamerprojektion sein. Thomas Frenzel und seine Kollegen aus dem Innovationslabor von Milla & Partner entwickeln vernetzte Tools, die sie für das jeweilige Anwendungsszenario optimieren. Sie werden in verschiedenen Formen greifbar – vom Scheckkartenformat bis zum Multimediatisch.

„Was die Hardware angeht, so sind kleine Karten natürlich günstiger als ein großer Multimediatisch“, erklärt Frenzel, „und über die Karten können wir eine nahezu unbegrenzte Zahl von Teilnehmern vernetzen. Demgegenüber bietet sich unser inzwischen mehrfach preisgekrönter Multitouch-Medientisch eher für kleinere Gruppen an. Daran können sie interaktiv Ergebnisse erarbeiten, komplexe Zusammenhänge spielerisch erfahren und nachvollziehen. Er hat einen explorativen Charakter.“ Nie dürfe die Technologie zum Selbstzweck werden, zur inhaltlich irrelevanten Spielerei. Sie müsse in jedem Fall dem jeweiligen Kommunikationsziel dienen, und sie sollte Teil der Inszenierung sein, so Frenzel. „Je früher innovative Technologie in die Konzeption einbezogen wird desto besser.“

Wie wird also eine erfolgreiche Tagung in fünf Jahren aussehen? „Es wird stärker in Richtung Mitmachveranstaltung gehen“, ist Frenzel überzeugt. „Die Teilnehmer werden mehr kommentieren und bewerten – partizipieren! Das Rollenverständnis wird sich wandeln, es wird nicht mehr Akteure auf der einen und Rezipienten auf der anderen Seite geben. Referenten werden in Echtzeit auf Kommentare des Publikums reagieren. Die klassischen Abläufe werden sich durch die virtuelle Erweiterung verändern, die Begleitkommunikation um ein Event herum zunehmen, so dass die Teilnehmer bereits vor Beginn inhaltlich vorbereitet sind. Auch hinterher wird die Kommunikation intensiver nachwirken. Je mehr die Teilnehmer zu einer Veranstaltung beitragen, desto dynamischer und spannender wird sie. Ich behaupte, es wird in fünf Jahren kein Event mehr ohne Interkonnektion geben.“ Die Werkzeuge werden sich über die Zeit hinweg verändern, da sich die Technik ständig weiterentwickelt. „Wir abstrahieren aber bereits heute die Prinzipien, die Prozesse, die dahinterstehen“, so Frenzel. „Diese haben nicht nur organisatorische, sondern vor allem auch soziologische und psychologische Aspekte. Es gilt also, bei der Planung einer Veranstaltung möglichst früh über Kommunikationstools nachzudenken, damit diese ihren Zweck bestmöglich unterstützen können.“

Von Dr. Anja Wagner

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