IHK Magazin: Zeigen, was an der Firma einmalig ist

… Mehr als 30 Firmenmuseen gibt es zur Zeit in Baden-Württemberg – Tendenz steigend. Viele davon haben einen beachtlichen Publikumserfolg, allen voran die beiden großen Stuttgarter Automuseen: Das Mercedes-Benz Museum zählte letzten November seinen siebenmillionsten Besucher, Porsche knackte gerade die Drei-Millionen-Marke. Zum Vergleich: die Staatsgalerie Stuttgart verzeichnet jährlich zwischen 200 000 und 300 000 Besucher. 

Die hohen Investitionen der beiden so erfolgreichen Automuseen sind allerdings auch eine Hypothek, meint Johannes Milla, denn sie entmutigen potenzielle Museumsgründer aus der Wirtschaft. „Dabei komme es auf die Größe nicht an, sondern darauf, was man zu sagen und zu zeigen hat“, meint der CEO von Milla & Partner. Wobei er das durchaus großzügig auslegt: „Selbst zu den speziellsten Themen findet sich Faszinierendes!“ Überhaupt: Zu sammeln, sich seiner eigenen Vergangenheit bewusst zu werden und sich selbst zu hinterfragen, um damit zukunftsfähig zu sein – das lohne sich für jede Firma jeder Branche.

Milla muss es wissen, denn seine Agentur hat sich darauf spezialisiert, Marken in Räumen erlebbar zu machen. Aktuell ergänzen die Stuttgarter das von ihnen konzipierte Erwin-Hymer-Museum in Bad Waldsee. Das Museum an der  B30 zeigt die historische Sammlung des Firmengründers von Wohnwagen und Reisemobilen aus aller Welt, szenisch umgesetzt als Reiseroute durch acht Jahrzehnte verbunden mit Sehnsuchtsorten des mobilen Reisens.

Das Erwin Hymer-Museum richtet sich an jedermann, aber muss ein Firmenmuseum eigentlich allgemein zugänglich sein? „Das kommt auf die Zielsetzung an“, meint Milla, „also darauf, wen man erreichen und was man erzählen will.“ Die Entscheidung darüber muss deshalb ganz am Anfang der Planung stehen. Für Firmen, die in erster Linie ihren Kunden oder ihren Mitarbeitern zeigen wollen, wie sie zu dem geworden sind was sie heute sind, reiche eine nicht öffentlicheAusstellung, wie es beispielsweise Mahle oder Trumpf betreiben.

Wer Endverbraucher ansprechen will, wie die Bonbonfabrik Jung, der sollte das Museum für alle öffnen. Doch der muss auch wissen, dass der Aufwand ungleich größer ist: man muss für Führung und Bewachung sorgen, für Parkplätze und Toiletten, für Events und für Werbemaßnahmen! Eine Entscheidung von beachtlicher Tragweite also. Firmenmuseen sind für Milla deshalb Chefsache.  

Aber egal ob öffentlich oder nichtöffentlich, “ein Firmenmuseum zahlt auf die Marke ein“, ist Milla überzeugt. Durch den medialen Overkill auf allen analogen und digitalen Kanälen ist Werbung längst zur „Belästigungskommunikation“ geworden. Je digitaler die Welt, desto mehr brauche es den analogen Referenzraum, das räumliche Erleben. So kommen die Menschen freiwillig in ein Firmenmuseum - wohl wissend, dass sie sich jetzt einer Markenkommunikation aussetzen – aber eben bewusst, gezielt und selbstbestimmt. Er nennt das „mündige Kommunikation“, weil sich die Partner auf Augenhöhe begegnen.

Doch nicht nur das befördert die Markenbindung, es ist vor allem die Dreidimensionalität, die im Zeitalter des Internets den Unterschied macht. Und es ist der „genius loci“, der echte Ort der Produktion, der Authentizität erleben lässt. „Andernfalls wäre so manches Museum an Verkehrsknotenpunkten oder in Ballungszentren besser positioniert“, ist  Milla überzeugt.( „Und der Weg dorthin ist bereits Bestandteil des Erlebnisses“)

Authentizität setzt jedoch Ehrlichkeit voraus. Für Firmen, die älter als 70 Jahre sind, sind da braune Flecken nicht unwahrscheinlich. Milla rät zum offensiven Umgang damit: „Die Quittung von Daimler an die SS über den Erhalt von Zwangsarbeitern in einer Museumsvitrine beweist, dass man sich mit der eigenen Geschichte kritisch auseinandergesetzt hat.“

Wird es eigentlich eines Tages auch ein Milla & Partner-Museum geben? „Dafür sind wir zu unbedeutend. Und selbst wenn: „Ach“, „ seufzt  Milla, „wir sammeln leider sehr unsystematisch -  und wenn der Keller voll ist, sag ich auch schon mal „schmeiß das alte Gelump weg“. Tatsächlich sei es die größte eine Herausforderung, richtig zu sammeln und zu wissen, was weg kann und was nicht. „Wenn wir Pech haben, werden spätere Generationen von allen Unternehmen des 21. Jahrhunderts uns nur noch die Steuerunterlagen vorfinden, weil es für die eine Aufbewahrungspflicht gibt“, schmunzelt er. „Und weil alle digitalen Daten nicht mehr ausgelesen werden können“

Warum wird eigentlich das Erwin-Hymer-Museum schon wieder aktualisiert? Schließlich ist es erst im Herbst 2011 eröffnet worden? „Jedes Jahr sollten – je nach Innovationszyklen der Produkte - zwischen drei und 20 Prozent eines Museums erneuert werden  – einerseits, damit es nicht eines Tages ganz verstaubt wirkt, andererseits aber auch, um interessant für Wiederbesucher zu sein“, erklärt Milla.

Das solle man unbedingt schon bei der Planung mitdenken – sonst drohen Überraschungen und vermeidbare Kosten. Erneuerung ist oft auch nötig, weil technische Geräte wie Infoscreens veralten oder kaputt gehen.

Überhaupt warnt Milla vor zu viel (digitaler) Spielerei. Nicht nur wegen der hohen Wartungskosten und weil man ihr schnell das Alter ansieht, sie fördere auch eine „passive Gaming-Haltung“. Trotzdem sei intelligente Aktivierung unverzichtbar, denn nur sie animiere den Besucher dazu, selber etwas zu entdecken – mit einem entsprechend höheren Lerneffekt. „Die schönsten Bilder sind die Bilder im Kopf, die besten Gedanken sind die eigenen.“

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